Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Die Distributionsbasis ist schliesslich doch am alten Ort geblieben. Hier bereiten die Briefträgerinnen und Briefträger die Post vor und nach. Die Ökonomie gab den Ausschlag. «Geographisch ist alles beim alten», denkt die Briefträgerin. «Aber sonst blieb kein Stein auf dem gewohnten.» Reorganisation. Die Teams wurden neu zusammengesetzt, viele sprachen erschrocken von «Fleischmarkt». Denn die ehrgeizigsten Teamleader schnappten sich die schnellsten Leute, andere blieben ungläubig und verletzt als zweite Garnitur zurück. Auch der Computer war ein Rechner. Er nahm sich die Touren vor. Zwecks Steigerung der Zustelleffizienz. «Wir Briefträgerinnen und Briefträger mussten die Routen nachvollziehen und überprüfen», denkt die Briefträgerin ein wenig hämisch. «Denn der Computer weiss nicht, wo es Treppen hat oder andere für das Fahrzeug unpassierbare Hindernisse. Noch weiss er es nicht.»
Dann der Tag der Umsetzung: ein happiger Arbeitssamstag! Brutal gar für die, die hinaus mussten: Die Maschine in Härkingen hatte zur Entlastung der kommenden Woche B-Post vorgezogen. Drinnen wurden die Sortiergestelle umplaciert und mit neuer Beschriftung versehen. Ohrenbetäubendes Hämmern, destruktiv im Wortsinn: Das Bestehende wurde niedergemacht.
«Ein Fleischmarkt: die ehrgeizigsten Teamleader schnappten sich die schnellsten Leute.»
EINZIGARTIGES ETWAS. Bisher befand sich unter jedem Loch im Gestell eine kleine angenietete Schiene. Ein so einzigartiges Etwas wie einst die Wählscheibe des Telefons. In diesen Schienen steckten die Beschriftungsstreifen. Jetzt werden sie angeklebt, warum, ist nicht recht klar. Vielleicht, damit die neuen Matrixcodes bessere Geltung erhalten. Ein paar Kollegen und – hörbar entschlossen! – einige Kolleginnen, hauten die Schienchen von den Gestellen. Die Briefträgerin gehörte zur Abschab- und Neubeklebequipe. Die Post spendierte Wasser und Sandwiches. Und am Feierabend ein Bierchen, mit oder ohne. Die Vorsortier- und Sortiergestelle sind nun reorganisiert. Kein Haus ist mehr da, wo es war, keine Reihenfolge gilt wie zuvor. Die alten Sortierhäsinnen und -hasen stehen vor den Löchern wie einst am ersten Tag.
Die folgende Woche wurde nahrhaft. Das vernahm die Briefträgerin von den Kolleginnen und Kollegen auf der Strasse. Sie selber baute Überzeit ab, und dann wurde auch sie reorganisiert. An einen neuen, noch unvertrauten Ort. Sie hat es im Rahmen des Möglichen selbst so gewählt. «Bestimmen in allem Bestimmtwerden», denkt die Briefträgerin. «Diesen Spielraum heisst es zu nutzen.»